Mittwoch, 18. März 2015

Flügelk(r)ämpfe in der AfD: Die "Liberalen" rasten aus



Eine politische Etikettierung mit herkömmlichen Begrifflichkeiten - hier also "liberal" bzw. entsprechend auf der Gegenseite "konservativ" - mag ich schon deshalb nicht sonderlich, weil ich mich selber in einem solchen Schema nicht verorten könnte. Manche meiner Positionen würde man in unserer Partei Alternative für Deutschland als "liberal" beschreiben, etwa meine grundsätzliche Befürwortung des Freihandels. Andere wiederum als "konservativ", wobei aber die Gründe für meine Positionierung ganz andere sind als eine (nicht vorhandene) grundsätzliche Hinneigung zum Konservativismus.
Es hilft aber nichts; das Kind muss einen Namen haben, sonst können wir nicht drüber reden. Eigentlich wären "links" für die Liberalen und "rechts" für die Konservativen angemessener. Derartige Zuordnungen würden sich jedoch ausschließlich auf die innerparteiliche Bandbreite in der AfD beziehen, und wären etwas völlig anderes als links und rechts in der allgemeinen politischen Landschaft.
Solche feinen Unterscheidungen sind freilich der Masse der Leser nicht zu vermitteln; daher bleibe ich vorliegend bei den Etiketten "liberal" und "konservativ".

Worum es bei den gegenwärtigen Flügelkämpfen geht, und (teilweise) wer sich in der AfD wie positioniert, kann man zusammenfassend den Artikeln "Streit in AfD: Henkel warnt vor 'völkischem Gedankengut' " in der Junge Freiheit vom 17.03.2015 und "AfD-Richtungsstreit spitzt sich zu" vom 18.03.2015 entnehmen.
Hier will ich diese Vorgänge aber noch einmal aus meiner Perspektive darstellen:


"Offizieller" Ausgangspunkt bzw. äußerer Anlass der gegenwärtigen Streitigkeiten war die “Erfurter Resolution [nachfolgend auch: ER] vom 14.03.2015, die auf einer Webseite "DerFluegel" veröffentlicht wurde. (Dazu existiert auch eine Facebook-Seite sowie, zur Abklärung der sachpolitischen Meinungen unter den Parteimitgliedern i. S. einer Unterstützung der ER, eine Umfrageseite bei Facebook zu einer Reihe von aktuellen Themen).

Als Verfasser darf man wohl Björn Höcke, AfD-Landesvorsitzender in Thüringen und zugleich AfD-Fraktionsvorsitzender im Landtag, vermuten, der an erster Stelle der Erstunterzeichner genannt wird. An zweiter Stelle folgt André Poggenburg, AfD-Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt.
Der an dritter Stelle gelistete Dr. Alexander Gauland, AfD-Landesvorsitzender in Brandenburg und Fraktionsvorsitzender der AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag, ist tatsächlich wohl erst etwas später zu den Unterzeichnern hinzugestoßen, will sich aber offenbar durch seine Aufnahme in den Kreis der Erstunterzeichner voll mit dem Inhalt identifizieren. Tatsächlich bewirbt er sie auch. So etwa hier auf Facebook (wobei die dort genannte FB-Seite "Geldbombe für Deutschland" aus der Zeit vor der Bundestagswahl mittlerweile gelöscht ist; es handelte sich auch nicht um eine offizielle AfD-Seite):
Die Verfasser dieser Resolution haben vollkommen Recht. Ich teile ihre Sorge um das Ansehen unserer Partei in der Öffentlichkeit, ich teile ihre Sorge darüber, dass unsere junge Partei, angetreten als echte Alternative, sich in vielerlei Hinsicht den Alt-Parteien Schritt für Schritt annähert und damit ihr wichtigstes Pfund, die Unverwechselbarkeit aufgibt. Ich trage diese Erfurter Resolution ohne wenn und aber mit und empfehle jedem Mitglied der AfD diese Resolution, wie ich es heute getan habe, durch seine Unterschrift zu unterstützen.“


Am 18.03.2015 haben die "Liberalen" [in der Folge werde ich das Anführungszeichen weglassen, in Gedanken ist es aber immer mitzulesen] mit einer "Deutschland-Resolution" nachfolgend auch: DR] gekontert; auf diese DR bezieht sich meine Überschrift.

Unterschrieben ist die Resolution von den AfD-Abgeordneten im Europäischen Parlament (MdEP)  Bernd Kölmel (zugleich AfD-Landesvorsitzender Baden-Württemberg; K. outet sich hier als Mit-Initiator: "... habe ich mit Ulrike Trebesius die Initiative zur ‘Deutschland-Resolution’ ergriffen".); Ulrike Trebesius (zugleich Landesvorsitzende Schleswig-Holstein); Hans-Olaf Henkel und Prof. Joachim Starbatty.
Von unseren weiteren 3 MdEPs darf man vermuten, das Prof. Bernd Lucke zwar hinter der Resolution steht (vgl. die dpa-Meldung „Die AfD braucht keine Flügel“ z. B. im Handelsblatt vom 16.03.2015), sich aber als Bundesvorstand offiziell heraushalten wollte.
Beatrix von Storch und Marcus Pretzell haben die Resolution nicht unterschrieben. (Wobei wir natürlich nicht wissen können, ob sie überhaupt gefragt wurden.)

Zum weiteren Kreis der (offenbar: ) Erstunterzeichner gehören u. a. Susanne Gruber, eine (von 3) Vorsitzenden ("Sprecherin") im Landesverband Hessen; Prof. em. Jörn Kruse, Sprecher (d. h. Vorsitzender) Landesverband Hamburg; Christian Schäfer, Sprecher Landesverband Bremen; Johannes Trampert, Sprecher Landesverband Saarland: Andre Wächter, Sprecher Landesverband Bayern und Prof. Uwe Zimmermann, Sprecher Landesverband Rheinland-Pfalz.

Nicht unterschrieben haben demnach ein weiterer der beiden Landesvorstände in Hessen (der 3., Peter Münch, war kürzlich vom Landesschiedsgericht seines Amtes enhoben worden*), sowie die Vorsitzenden von Niedersachsen (Paul Hampel; dessen Unterschrift soll zunächst auf der Liste gestanden haben, später aber verschwunden sein; anscheinend hat er also seine Zustimmung zurückgezogen), Nordrhein-Westfalen (MdEP Marcus Pretzell - s. o.), Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen (Dr. Frauke Petry).

* Nachtrag 19.03.2015. Ein Facebook-Freund korrigiert mich: "Sie schreiben, dass Herr Peter Münch nicht mehr Sprecher in Hessen sei. Das ist er aber noch. Das Urteil des Hessischen Landesschiedsgericht besitzt noch keine Kraft. Ob das Urteil in Kraft tritt. wird jetzt das Bundesschiedsgericht prüfen."
Außerdem sehe ich jetzt, dass der 3. Sprecher (auch) in Hessen 
Konrad Adam ist.
Der steht, wie man dem oben zitierten JF-Artikel entnehmen kann, der anscheinend eher auf der Seite der "Konservativen" steht: 
"Wenn die AfD beisammen bleiben wolle, müsse sie die immer noch bestehenden Gräben zwischen Ost und West überwinden, warnte Adam ..... „Es gibt ja nicht nur die Querschüsse aus dem Osten, sondern auch die gepfefferten Antworten aus dem Westen, und welche von beiden mehr Schaden anrichten, ist noch nicht ausgemacht“ ..... Um mit ihrer Rolle als neue Volkspartei ernst zu machen, müsse die AfD die Sorgen der Bevölkerung in ihren ganzen Breite widerspiegeln. „Und dazu gehört eben nicht nur der geharnischte Widerstand gegen die verfehlte Euro-Rettungspolitik, sondern auch die Sorge über die Folgen einer ungeregelten Einwanderung“, betonte der AfD-Sprecher."

Frau Petry ist allerdings zugleich auch eine der (derzeit noch) 3 Vorsitzenden der AfD-Bundespartei; auch ihre beiden "Kollegen" Prof. Bernd Lucke und Konrad Adam haben das Papier nicht unterschrieben. Das sollte eigentlich auch selbstverständlich sein, denn, wie immer man inhaltlich zu dem Papier steht: Auf jeden Fall ist es ein Manifest eines Teils der Partei gegen einen anderen, und zumindest nach außen hin sollten die 3 Sprecher der Bundespartei über diesen Flügelkämpfen stehen.

Interessant ist ferner, dass aus dem Thüringer Landesverband des Initiators der Erfurter Resolution sogar drei Mitglieder der AfD-Landtagsfraktion bei der gegnerischen Deutschland-Resolution unterschrieben haben, nämlich Siegfried Heinz Gentele, Oskar Helmerich und Jens Krumpe.
(In der dpa-Meldung vom 16.03.2015 lesen wir in diesem Zusammenhang: "Die Thüringer Landtagsfraktion trägt Höckes Vorstoß nicht geschlossen mit. Zunächst unterzeichneten nur fünf der elf Fraktionsmitglieder die Resolution.")


Beide Resolutionen stehen jetzt für Unterstützerunterschriften offen; ich selber habe und werde keine der beiden unterzeichnen.
Zwar kann ich mich beispielsweise mit dem folgenden Absatz aus der ER unbedingt identifizieren (zumal ich gerade neulich ein äußerster ärgerliches Beispiel für derartige Verhaltens hier im Blog geschildert habe):
"Wir orientieren uns in unserem politischen Handeln ängstlich an dem, was uns Institutionen, Parteien und Medien als Spielraum zuweisen, anstatt selbst den Radius unseres Handelns abzustecken und zu erweitern. Wir zeigen zu oft jenen vorauseilenden Gehorsam, der die Verhältnisse, gegen die wir angetreten sind, nicht verändert, sondern zementiert."
Irritiert hat mich dagegen der (rein als Sachverhalt zwar zutreffende) Vorwurf:

"Die Partei hat ..... sich von bürgerlichen Protestbewegungen ferngehalten und in vorauseilendem Gehorsam sogar distanziert, obwohl sich tausende AfD-Mitglieder als Mitdemonstranten oder Sympathisanten an diesen Aufbrüchen beteiligen".
Ich bin kein grundsätzlicher Gegner der Demonstrationen von Pegida und ihren (mehr oder weniger) "Ablegern". Aber schon in meinem Blott "HoGeSa, PEgIdA, KagIdA, DügIdA - und AFDieda? 7 Thesen zum Verhältnis und zum Verhalten der AfD gegenüber den antiislamistischen Demonstrationsbewegungen" vom 06.12.2014 hatte ich dargelegt, dass und warum ich einer allzu engen Verbindungen der Alternative für Deutschland zu diesen Demos für politisch unzweckmäßig halte. Und selbstverständlich sind auch Distanzierungen seitens der AfD in einer Reihe von Fällen, bei denen diese Demos von Rechtsextremen oder Hooligans organisiert werden oder in denen diese stark stark vertreten sind, absolut gerechtfertigt.
Nachdem zwischenzeitlich der (zwar weit links stehende) Blogger Andreas Kemper in seinem Blogeintrag "
Wieviel NPD höckt in der AfD?" angedeutet hat, dass Björn Höcke unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" noch im Jahr 2012 Artikel geschrieben habe, die in einer NPD-Postille veröffentlicht wurden, kann ich die ER noch weniger unterschreiben.
(Ich gehe davon aus, dass die von Kemper veröffentlichten Zitate zutreffen. Sehr vieles aus den Aufsätzen von "Landolf Ladig" kann man zwar auch von der extremen Linken vernehmen. Aber in NPD-Magazinen oder auf NPD-Webseiten zu publizieren ist keine gute Idee. Einen Beweis für die Identität von "Ladig" mit Höcke hat Kemper zwar nicht erbracht. Unsubstantiiert ist sein Sachvortrag freilich auch nicht .....)

Diese Vorgänge müssen freilich vom Inhalt der Erfurter Resolution abgetrennt betrachtet werden, denn die Retourkutsche der Liberalen bezieht sich rein formal auf die ER. Nur das, was tatsächlich dort gesagt wird, bzw. was man dem Text entnehmen kann ohne fragwürdige weitere Annahmen und Unterstellungen zu machen, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Und insoweit stellt Alexander gegenüber der Junge Freiheit völlig korrekt fest: „Die Erklärung enthält an keiner Stelle völkisches Gedankengut wie von Herrn Henkel behauptet“.


Begründungsbedürftig sind meine Behauptungen, dass die Liberalen in ihrer DR "ausgerastet" seien und dass die ER lediglich der Anlass für die DR war, dass also noch etwas anderes hinter diesem Streit steckt, und spezifisch hinter dem für eine innerparteiliche Flügeldebatte ziemlich extremen Inhalt der DR.


Diese beiden Behauptungen hängen zusammen, denn die Heftigkeit der liberalen Reaktion wird nur dann verständlich, wenn man davon ausgeht, dass bei den Verfassern noch andere Vorgänge im Hintergrund standen. 

Der eine ist wohl die angekündigte Kandidatur von Björn Höcke für den Bundesvorstand (vgl. Mitteilung auf der Webseite der AfD Thüringen vom 16.03.2015: "Auch zu später Stunde zeigte der Landesparteitag der AfD noch ein richtungsweisendes Signal. Per Akklamation sprach sich die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer des Parteitages in Arnstadt für die Kandidatur ihres Landessprechers und Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag Björn Höcke zu den kommenden Wahlen für den Bundesvorstand aus.").
(Ich selber stehe Höcke reserviert gegenüber, ohne dass ich ihm feindlich gesonnen wäre. Im Bundesvorstand möchte allerdings auch ich ihn nicht sehen.)

Der andere und vermutlich wesentlichere Umstand ist die Organisation einer innerparteilichen Opposition in Niedersachsen. Auf dem dortigen Landesparteitag** am 14./15.03.2015 erfolgte eine Neuwahl des Landesvorstands, bei der sich anscheinend konservative Kräfte durchgesetzt haben*. Das hat Prof. Bernd Lucke anscheinend ziemlich irritiert; denn seine Begrüßungsrede soll etwas konfrontativ gewesen und von der Versammlung eher verhalten aufgenommen worden sein.
Interessant ist vielleicht noch, dass auch Ulrike Trebesius auf dem niedersächsischen LPT anwesend war, und dass man aus dieser Quelle erfährt:
"Zeitgleich wird diese Resolution zum Parteitag des Landesverbandes Niedersachsen in Hannover vorgestellt und anschließend parteiintern und über die Medien veröffentlicht."

* Erg. 20.03.2015: Es handelt sich um die "Initiative Bürgerliche AfD".
** Erg. 21.03.2015: Ein Bericht über diesen LPT steht auf der Homepage des KV Stadt Oldenburg / Ammerland.

Das alles lässt mich vermuten, das den Liberalen, soldatisch gesprochen, der Allerwerteste auf Grundeis ging.
Denn anders kann ich mir schon den ersten Absatz der Deutschland-Resolution nicht erklären, der wie folgt lautet:
"Reden wir nicht um den heißen Brei herum: wer die sogenannte Erfurter Resolution unterschreibt, dem passt die Richtung der AfD nicht. Der will eine andere AfD, eine AfD der flachen Parolen und der schrillen Töne. Der will die Partei auf Provokation und Protest verengen. Der schlägt allen Parteimitgliedern ins Gesicht, die derzeit sachlich und konstruktiv an einem Parteiprogramm arbeiten, dessen thematische Breite einer Volkspartei würdig ist."
Es ist zunächst einmal eine Unverschämtheit, allen Unterzeichnern der Erfurter Resolution zu unterstellen, für eine "andere AfD, eine AfD der flachen Parolen und der schrillen Töne" einzutreten, und eine Verengung der "Partei auf Provokation und Protest" zu betreiben.

Die Liberalen mögen vielleicht anderweitige Anhaltspunkte für entsprechende Bestrebungen der ERSTunterzeichner haben.
Eine saubere Textinterpretation gibt aber eine solche Zielsetzung nicht her; von daher ist es eine Frechheit, diese gleich allen Unterzeichnern zu unterstellen.

Weiter heißt es in der DR: "Wir lassen uns nicht Feigheit und Verrat an den Interessen unseres Landes vorwerfen."
Die Referenzpassage in der ER lautet:
"Die Bürger haben uns gewählt, weil sie hoffen, daß wir anders sind als die etablierten Parteien: .....   Anstatt nun jedoch die Alternative zu bieten, die wir versprochen haben, passen wir uns ohne Not mehr und mehr dem etablierten Politik- betrieb an: dem Technokratentum, der Feigheit und dem Verrat an den Interessen unseres Landes."
Rein formal ist das eine Selbstkritik ("... passen WIR uns ... an"). Aus sich selbst heraus rechtfertigt es diese Passage in keiner Weise, dass die DR-Verfasser sie auf sich beziehen. 

"Wer solche Vorwürfe erhebt, überschreitet Grenzen und spaltet die Partei."
Noch einmal: Formal richtet sich der Abschnitt NICHT gegen andere, sondern gegen die Partei insgesamt. Insofern wäre es zumindest begründungsbedürftig, wieso die Liberalen daraus einen Angriff gegen ihre Position ableiten.

"Wir brauchen weder Flügelkämpfe .... "
DAS ist dreist. Denn während die Verfasser der Erfurter Resolution zweifellos versuchen, ihre Position in der Partei durchzusetzen (was für JEDES Parteimitglied, und jede Gruppe von Parteimitgliedern, vom Grundsatz her legitim ist!) sind es gerade die Liberalen, die mit ihrer DR einen wütenden Flügelkampf eröffnen, indem sie in den Forderungen der ER "wolkige Phrasen aus dem Arsenal rechter Splitterparteien" entdecken wollen.

Ebenfalls kritikwürdig ist die Tatsache, dass die Liberalen die Auseinandersetzung auf die personelle Ebene verlagern:
"Diese [also die "liberale"] Ausrichtung der AfD wird von Bernd Lucke und Frauke Petry überzeugend vertreten. Beide haben unsere volle Unterstützung. Wem diese Richtung nicht passt, dem passen auch Bernd Lucke und Frauke Petry nicht. Wir fordern daher den Wortführer der Erfurter Erklärung auf, gegen Bernd Lucke für den künftigen Vorsitz der AfD zu kandidieren."

"Feige ist, wer sich und seine Art der Politik nicht als Alternative anbietet. Mehrheit siegt."
Ein solcher Vorwurf gegen Björn Höcke (den ich, wie bereits gesagt, keineswegs generell in Schutz nehmen will) ist lächerlich, weil er ja seine Kandidatur für den Bundesvorstand bereits angekündigt hat (s. o.).

"Haben wir Mut zur Wahrheit: Vor uns liegt eine Richtungsentscheidung."

Sagt wer? Genau jene, die angeblich gegen Flügelkämpfe sind! Die aber hier bestätigen, dass es ihnen justament darum geht, sozusagen den Gong zum Ragnarök einzuläuten, zum Endkampf der Guten gegen die Bösen.
Dasselbe kommt auch in der Formulierung zum Ausdruck:
"Wer einseitig den rechten Flügel stärken will, schadet der Einheit der Partei."
Damit wird stillschweigend anerkannt, was soeben noch ausdrücklich bestritten wurde: Dass es in der AfD [wie ja auch natürlich und bei allen anderen Parteien nicht anders] Flügel gibt. Dass die "Rechten" den rechten Flügel zu stärken versuchen, ist ja wohl selbstverständlich. Dass die Liberalen vorgeben, KEINEN Flügelkampf zu führen, ist schlicht verlogen. 

Spannend wird es nun insofern, als die DR-Verfasser konkrete formale Forderungen für den nächsten Bundesparteitag erheben, auf dem der neue Bundesvorstand gewählt wird:
"Diese [Richtungsentscheidung] müssen die Mitglieder fällen. Deshalb fordern wir einen Mitgliederparteitag für die Wahl des Bundesvorstands. Nur den Mitgliedern kommt es zu, über die Zukunft der Partei zu entscheiden."
Der Bundesvorstand hatte entschieden (bzw. auf dem letzten - Mitglieder - Parteitag in Bremen war beschlossen worden, das weiß ich nicht genau), die Vorstandswahl (aus Kostengründen) als Delegierten-Parteitag abzuhalten.
Da fragt man sich natürlich, aus welchem Grunde jetzt die Liberalen einen Mitgliederparteitag fordern. Befürchten sie, dass die Delegierten anders entscheiden könnten als die Mitglieder? Nämlich GEGEN die Liberalen? Welche Überlegungen stecken dahinter? Ich weiß es nicht; auf jeden Fall sehe ich aber derartige Forderungen als Ausdruck eines Panik-Modus der Autoren. Sehen sie ihre Felle davonschwimmen? Diesen Eindruck muss man als (relativ) unbefangener Leser jedenfalls gewinnen.

"Wir wollen keine Ideologie. Wir wollen die Partei des gesunden Menschenverstandes bleiben. Deshalb unterstützen wir klar die politische Linie von Bernd Lucke und Frauke Petry."

Dagegen wäre nichts einzuwenden, hätten nicht die Verfasser der DR selber gerade zuvor noch ihren Gegnern "wolkige Phrasen" vorgeworfen. Aber letztlich ist auch die Berufung auf den "gesunden Menschenverstand" [bei der man leicht auch das "gesunde Volksempfinden" aus dunkleren Epochen der deutschen Geschichte assoziieren könnte] oder auf "Sachkompetenz, Realitätssinn und Überzeugungskraft" nicht mit einem konkreten Inhalt hinterlegt: Und damit kann man mit guten Gründen auch diese Begriffe als "Phrasen" kritisieren.


Zusammenfassend:
Wenn ich die Erfurter Resolution und die Deutsche Resolution vergleiche, dann habe ich bei der Erfurter Resolution die Anmutung eines Textes, der (selbstverständlich) eine bestimmte (sagen wir mal: "konservative") Position in der Partei durchzusetzen versucht.
Das geschieht aber in einem Rahmen, der für innerparteiliche Diskurse üblich ist.
Dem gegenüber mutet mich die Deutsche Resolution wie ein wütendes Gegeifer an, das nicht allein aus der Ablehnung des ER-Textes zu erklären ist. Es sind die Liberalen, nicht die Konservativen, die diese Auseinandersetzung quasi zum innerparteilichen Endkampf hochstilisieren - und mit dem Text ihrer DR dem Flügelkampf eine Schärfe geben, die er in der ER noch nicht hatte.

Ich glaube nicht, dass es den Interessen unserer AfD wirklich dient, wenn man die zweifellos vorhandenen (und, wenn man andere Parteien betrachtet, auch völlig normalen) innerparteilichen Gegensätze auf eine solche Weise zuspitzt.


Nachtrag 19.03.2015
Günther Lachmann berichtet heute in seinem Internet-Magazin "Geolitico" unter dem Titel "AfD-Streit um völkische Gesinnung" über die Auseinandersetzung. [Am 20.03.2015 auch in der WELT publiziert; dortiger Titel jedoch: "Wie viel braune Gesinnung steckt in der AfD?"] Daraus folgende Infos:

"Rätselhaft erscheint indes, warum ausgerechnet die „Erfurter Resolution“ zur neuen Eskalation zwischen den verfeindeten Lagern führte, nämlich dem eher christdemokratischen Lucke-Flügel auf der einen und dem nationalkonservativen Flügel auf der anderen Seite. Zu den „Luckianern“ zählen etwa Henkel, die Europa-Abgeordneten Joachim Starbatty, Bernd Kölmel und Ulrike Trebesius; die Nationalkonservativen sammeln sich um die Ko-Vorsitzende Frauke Petry, und AfD-Vize Alexander Gauland. Ihnen werden etwa die Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch, Markus Pretzell und eben auch Björn Höcke zugerechnet."
Dieses "Rätsel" haben wir oben aufgeklärt: Es dürften die Vorgänge auf dem niedersächsischen LPT gewesen sein, die unsere Liberalen in den Panikmodus versetzt haben. Auch Lachmann geht in seinem weiteren Text auf diesen Umstand ein.

"Erstaunlich ist die Reaktion der sächsischen Landesvorsitzenden Frauke Petry, deren politische Vorstellungen schließlich eng mit denen Höckes korrespondieren. Auch sie wollte auf Nachfrage weder zur Henkel-Kritik an den ostdeutschen Landesverbänden noch zur Resolution selbst etwas sagen. Will heißen: Von Petry darf Höcke keine Rückendeckung erwarten. In der Partei heißt es dazu, sie fürchte ihn als intelligenten Konkurrenten."
Ich finde das Schweigen von Frauke Petry weder erstaunlich, noch glaube ich, dass sie Björn Höcke als Konkurrenten fürchtet. Das hängen ihr wahrscheinlich ihre Gegner an. Vielmehr zeigt sie politische Intelligenz, indem sie sich als Bundesvorsitzende aus diesem Flügelstreit heraushält.

"Auf der Liste der Erstunterzeichner „Pro-Lucke-Liste“ [also der DR] fand sich zu seiner eigenen Überraschung auch der niedersächsische Landesvorsitzende Paul Hampel. Der aber protestierte umgehend und musste wieder gestrichen werden. Zwischen Hampel und Lucke nämlich ist das Tischtuch zerschnitten, weil der AfD-Chef nur wenige Tage zuvor Hampels Wiederwahl als Landesvorsitzender hatte verhindern wollen."
DAS war mir bislang noch nicht bekannt.

"Warum Lucke damit letztlich böse und noch dazu in seinem eigenen Landesverband scheiterte, das kam so: In Niedersachsen hatte sich eine „Bürgerliche Alternative“ im Sinne der Erfurter Resolution gegründet. Auf dem Landesparteitag gingen Lucke-Getreue die neue Gruppierung scharf an. Parallel dazu trat Luckes Vertraute Trebesius auf und warf dem niedersächsischen Landesvorsitzenden Hampel mehr oder weniger deutlich Unfähigkeit vor. Die Attacken bewirkten letztlich das Gegenteil dessen, was sie bezweckten. Bei der Neuwahl des Landesvorstandes setzten sich ausschließlich Vertreter der „Bürgerlichen Alternative“ durch. Luckes Kandidaten gingen mit wehenden Fahnen unter."
Eben: Genau daraus erklärt sich, warum die Liberalen in ihrer Deutsche Resolution (und Hans-Olaf Henkel zusätzlich in Äußerungen gegenüber der Junge Freiheit) die Auseinandersetzung quasi zu einem Harmageddon der AfD hochzujubeln versuchen.



Nachtrag 23.03.2015
Zu den parteiinternen Auseinandersetzungen vgl. auch den (freilich stark mit anderweitigen Informationen aufgeblähten) heutigen Artikel "Alternative für DeutschlandBernd Lucke sucht die Entscheidung im Flügelkampf" von Fabian Leber, Alexander Fröhlich, Lars Radau und Eike Kellermann" im Berliner Tagesspiegel.



Nachtrag 24.03.2015
Gestern berichtete auch die FAZ (Friederike Haupt) unter dem Titel "Flügelstreit in der AfD. Vertraute Feinde" über die Auseinandersetzung:

"Die Landeschefs von Thüringen und Sachsen-Anhalt präsentierten es [die ER] auf dem Landesparteitag in Thüringen. Vorher hatten sie ein paar Tage lang herumtelefoniert und rausgekriegt, dass einige Parteifreunde durchaus Lust hatten, so ein Papier sofort zu unterschreiben. Das waren Landtagsabgeordnete und Landesvorstände aus dem Osten, auch ein paar wenige Westler. Auch Alexander Gauland wurde angerufen, er ist Parteivize und Landeschef in Brandenburg. Gauland las sich die Forderungen durch und sagte, da könne er klar dahinterstehen. Am gleichen Tag noch war das Papier offiziell - die sogenannte Erfurter Resolution."
"Lustigerweise beschwören die AfD-Politiker in beiden Erklärungen den „Mut zur Wahrheit“, auf den die Partei so stolz ist. Wahrheit ist in der AfD aber nicht die Wahrheit des Andersdenkenden."
Das ist natürlich zwangsläufig, dass man die Wahrheit für die jeweils eigene Überzeugung reklamieren muss.
"Dabei schadet es Parteien bekanntlich nicht, wenn sie verschiedene Flügel haben. Und die der AfD können durchaus gemeinsam fliegen."
Genau! (Und das haben nach meinem Eindruck in der anschließenden Debatte die Anhänger der ER öfter und glaubwürdiger gesagt als die Anhänger der DR.)


Nachtrag 25.03.2015

Auch Albrecht Glaser*, ein relativ prominentes Mitglied im AfD-Landesverband Hessen, 
hat auf der Webseite der niedersächsischen Initiative Bürgerliche AfD die derzeitige Auseinandersetzung untersucht: "Ein Analyse zur AfD-Resolutionenkultur":

"Die erste Frage ist, ob sich die Kernaussagen der 'Erfurter Resolution' zutreffend als 'flache Parolen und schrille Töne' kennzeichnen lassen und man den Autoren den Vorwurf machen kann, 'sie wollten die Partei auf Provokation und Protest verengen'?"
Das verneint Glaser zu Recht.

"In der 'Deutschland-Resolution' schreiben die Autoren: 'Wir lassen uns nicht Feigheit und Verrat an den Interessen unseres Landes vorwerfen.' Die Frage lautet, ob die „Erfurter“ einen solchen Vorwurf gegen wen auch immer erhoben haben?"
Genau wie ich das oben getan habe weist auch Glaser darauf hin, dass die ER insoweit von "wir" spricht und somit diese Vorwürfe nicht gegen bestimmte Personen richtet.
Etwas abseits vom Kernthema kritisiert er eine konkrete volkswirtschaftliche Meinung von Prof. Lucke zur Euro-Krise. Auch ich halte diese Position für sachlich falsch, und vom deutschen Interessenstandpunkt aus allemal für politisch schädlich.

"Wer die „Erfurter Resolution“ unterschreibe, dem „passe die Richtung nicht, der spalte die Partei“ usw. steht in der „Deutschland-Resolution“. Was aber ist die richtige Richtung, fragt sich der Leser der „Deutschland-Resolution“? Dazu finden wir Folgendes: „Statt dessen brauchen wir Sachkompetenz, Realitätssinn und Überzeugungskraft… Wir wollen keine Ideologie, wir wollen die Partei des gesunden Menschenverstandes bleiben.“ Jetzt ist es raus. Das sind die Werte der AfD! Man darf mit gutem Gewissen behaupten: Genau das ist das Problem! Diese Leerformeln, die in Wahrheit nichts über eine „Richtung“ der AfD aussagen, erzeugen eine rege Diskussion um wirkliche politische Wertvorstellungen. Sachkompetenz in was? Überzeugungskraft für was? Wann ist der Menschenverstand gesund und wann krank? Opportunistischer Pragmatismus oder sogar nur pragmatischer Opportunismus ist die Tagesparole."
Ich möchte jetzt nicht allen Verfassern und Unterzeichnern der DR blanken Opportunismus unterstellen. Aber in der Tat ist es so, dass die dort genannten Vorstellungen über den richtigen Kurs der AfD sich nicht gerade durch große Konkretheit auszeichnen.

Diese Ausrichtung der AfD wird von Bernd Lucke und Frauke Petry überzeugend vertreten“, steht in der „Deutschland-Resolution“. Wir lösen unser politisches Richtungsproblem personell. Eine originelle Idee. Personen statt politische Prinzipien. Deshalb gibt es auch die Merkel-Partei, die Gabriel- und Nahlespartei, die Gysi- und Lafontainepartei und früher die Fischerpartei. Auch insoweit sind wir also schnell gealtert als „Neupartei“.Schöner konnte man es nicht formulieren."
Diese Personalisierung hatte ja auch ich oben konstatiert und kritisiert.
*[Glaser war einstmals CDU-Mann und Stadtkämmerer in Frankfurt (s. a. hier). In der AfD ist er schon früh als Lucke-Gegner auf den Plan getreten, nämlich im Zusammenhang mit einer Kreditaufnahme des Bundesvorstands zur Finanzierung des Bundestags-Wahlkampfes 2013 und später in der Satzungsfrage.]


Nachträge 26.03.2015
Heute sind gleich ZWEI Veröffentlichungen erschienen, welche (die eine direkter, die andere mehr indirekt) einen Bezug zu unserem hiesigen Thema haben:

Die Webseite "DerFluegel" veröffentlicht ein Interview "Weshalb unterstützen Sie die “Erfurter Resolution”, Herr Kalbitz?" mit Andreas Kalbitz, stellvertretender AfD-Fraktionsvorsitzender im brandenburgischen Landtag.
"Nicht die Erfurter Resolution schadet dem Ansehen und dem Zusammenhalt unserer Partei und fördert die, von mancher Seite fast wunschhaft herbeifabulierte, Spaltungsgefahr, sondern die Art der Reaktion. Ein notwendiger offener und sachlicher Diskurs muss möglich sein, und manchmal bedarf es eben einer Initialzündung. Ohne die Erfurter Resolution hätte die nun auf allen Ebenen hörbar in Gang gekommene Diskussion nicht gegeben. Wer gute Argumente hat, braucht keine Diskussion zu fürchten."
Das meine ich auch. Man kann darüber streiten, ob der Zeitpunkt jetzt kurz vor der Bremer Bürgerschaftswahl ideal ist; andererseits finden ja schon Anfang Juni unsere Vorstandswahlen statt, d. h., dass es NACH der Bremer Wahl auch keine Zeit mehr gibt, um diese Debatte zu führen.
"Innerparteilich ist die Erfurter Resolution bereits ein Erfolg. Eine offene – wenngleich für manche offenbar als schmerzlich empfundene – Kontroverse „Quo vadis AfD?“ ist in Gang gekommen. Die bisherige Resonanz hat bereits gezeigt: die Kräfte der Selbstreflexion sind nicht erlahmt und bleiben ein Kraftquell für den tatkräftigen Einsatz zur gemeinsamen Gestaltung wirklich alternativer Politik! Ein Mißerfolg wäre die Erfurter Resolution, wenn sie wirkungslos bliebe, wenn die AfD durch Profilverlust im Kartellparteiensumpf versinken würde und wenn die kleinliche Angst vor mainstreamdefinierten „Unthemen“ und Denkverboten Oberhand gewinnen würde."
So sehe auch ich das.

BILD veröffentlicht heute ein Interview mit Frauke Petry u. d. T. "AFD-Führungsstreit. Partei-Chefin geht auf Bernd Lucke los!" Frau Dr. Petry hat zwar keine der beiden Resolutionen unterschrieben; ihre Antworten lassen aber erkennen, dass sie der Grundtendenz nach doch eher auf Seiten der "Erfurter" steht:
     "BILD: Frau Petry, Ihr Vorstandskollege Bernd Lucke sorgt sich um die Zukunft der AfD, beklagt schrille Töne und systemkritische Tendenzen in einigen Landesverbänden. Teilen Sie seine Kritik?
Frauke Petry: „Nein! Die AfD ist doch gerade angetreten, um ein kritischer Stachel im System der etablierten Parteien zu sein, um Missstände in Politik und Gesellschaft mutig anzuprangern. Sie war immer mehr als eine ,euroskeptische Partei‘! Letztlich ist es eine Frage der persönlichen Haltung, ob man jede Kritik gleich als vermeintliche Systemkritik verunglimpft oder nicht. Der Vorstand der AfD ist aufgefordert, die unterschiedlichen Strömungen, die es in der AfD gibt, zusammenführen und zu integrieren
.“
     "Lucke sieht die AfD beim Parteitag im Juni vor einer Richtungsentscheidung für seinen wirtschaftsliberalen oder einen stramm rechten Kurs. Sie auch?
Petry: „Nein. Das ist überhaupt nicht der Streit in der AfD. Der Richtungsstreit tobt vielmehr zwischen jenen, die weiter als Oppositionskraft wehtun wollen und denen, die jetzt schon alles dran setzen, die bessere Regierungspartei zu werden. Aus meiner Sicht sollte sich die AfD erst in der Opposition die Lorbeeren verdienen, um später einmal eine gute Regierungspartei sein zu können
.“
     "Ihr Kollege Höcke aus Thüringen hat der AfD-Führung in einer „Resolution“ Feigheit und Verrat an den Interessen des Landes vorgeworfen. Fühlten Sie sich angesprochen?
Petry: „Nein. Diese Resolution ist eine Äußerung von vielen, die durchaus ernst zu nehmen ist, aber den Kern, um den es geht, nicht trifft. Allein unbequem zu sein reicht nämlich nicht aus, wir brauchen auch Konzepte. In dieser Hinsicht ist übrigens die Konkurrenz-Resolution von Olaf Henkel genauso wenig hilfreich
.“
     "In Niedersachsen wollte Lucke den Parteivorstand stürzen und fiel mit allen Personalvorschlägen durch!
Petry: „Der Bundesvorstand tut immer gut daran, sich in Personalangelegenheiten der Landesverbände nicht einzumischen. Eingriffe von außen wirken am Ende nur destabilisierend. Ich habe mich bei der Versammlung in Hannover deshalb neutral verhalten
.“

Nicht ganz zutreffend sind die Behauptungen der Zeitung in der Einleitung zum BILD-Interview:
"Binnen einer Woche unterschrieben etwa 1500 Parteimitglieder eine pragmatisch ausgerichtete „Deutschland-Resolution”, die der Europa-Abgeordnete Hans-Olaf Henkel und andere Köpfe des Bundesvorstandes formuliert hatten. Gleichzeitig setzten etwa genauso viele AfD-Mitglieder ihre Unterschrift unter die „Erfurter Resolution” des Chefs der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Björn Höcke".
Mag sein, dass die Zahlen rein als solche stimmen (oder dass jedenfalls diese Werte von den jeweiligen Seiten publiziert wurden). Aber es gibt m. W. bei beiden keine Mechanismen, die eine Unterschrift auch von Nicht-Parteimitgliedern verhindern würden. Daher ist davon auszugehen, dass auch Außenstehende bei beiden Resolutionen mit unterschrieben haben.
Zumindest bei der Erfurter Resolution werden allerdings die Mitgliedsnummern abgefragt; danach sollen etwa 3/4 der Unterschriften von Mitgliedern stammen. (Wenn - wovon ich allerdings ausgehe - deren Angaben im Wesentlichen stimmen. Nachprüfen können die 'Resolutionäre' das nicht, weil sie natürlich keinen Zugang zu den Mitgliedsdaten haben.)
 
Weitere einschlägige Artikel von heute (die ich aus Zeitmangel nicht weiter erläutere bzw. bewerte):


Nachtrag 29.03.2015
Zur Beurteilung der innerparteilichen Auseinandersetzungen ist auch das heutige n-tv Interview "Mich störten die Opportunisten" mit Beatrix Diefenbach interessant.
Frau Diefenbach war Beisitzerin im Bundesvorstand. Dieses Amt hat sie jetzt niedergelegt und ist zugleich gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Mainzer Theologieprofessor Herbert Frohnhofen (Wikipedia), aus der AfD ausgetreten. Als Begründung nennen die beiden in einer gemeinsamen Erklärung (hier bei Facebook) die Gründung einer parteinahen Stiftung; die eigentlichen Ursachen für die Unzufriedenheit der Partei liegen aber, wie dieses Interview zeigt, anderswo:
"In der AfD ist man zurzeit genötigt, entweder für Lucke zu sein, dann gehört man zu den vermeintlich "Guten". Oder man ist nicht für Lucke, dann steht man aus deren Sicht angeblich so weit rechts, dass man nicht mehr zur bürgerlichen Mitte gehört. Eigentlich sind das sonst die Strategien des politischen Gegners. Ich fürchte, hier soll ein Streit auf die Spitze getrieben werden, um Machtpositionen zu festigen."
Genau diesen Eindruck, dass die Liberalen den Streit auf die Spitze treiben wollen, um ihre Position zu festigen, hatte ja auch ich aus der Deutschland Resolution gewonnen.
(Zum Austritt von Beatrix Diefenbach und Herbert Frohnhofen vgl. auch diesen FAZ-Artikel von heute.)
Erg. 30.03.2015: Soeben lese ich in einer Facebook-Gruppe, dass Frau Diefenbach ihren Parteiaustritt widerrufen habe. Was mich sehr freut.




ceterum censeo 

Deutschland in Europa: Weder Zuchtmeister, noch Zahlmeister!
Textstand vom 30.03.2015

1 Kommentar:

  1. Danke für diese sehr gelungene und neutrale Analyse der beiden Resolutionen. Es bleibt Bewegung in der AfD. Die Reaktion auf die Erfurter Resolution ist wesentlich spannender als die Resolution selbst. Es ist schließlich bekannt, dass sich die Nationalkonservativen von Bundesvorstand und EU-Parlamentariern unzureichend repräsentiert sehen. Man hätte auch genau gegenteilig reagieren können: nämlich auf den Flügel zugehen und Gesprächsbereitschaft signalisieren. Nur so ließe sich die Kluft zwischen "Liberalen" und "Konservativen" vermindern. Die vermeintlich Liberalen der Partei agieren hier (wie so oft in der Vergangenheit) illiberal, bedienen sich gerne des Vokabulars des politischen Gegners und führen so ihre eigenen Ansprüche ad absurdum.
    Ich habe die ER unterschrieben, weil es so in und mit der AfD definitiv nicht weitergehen kann - jedenfalls nicht mit mir. Dann hätte ich gleich in die CSU eintreten können. Eine AfD, die sich dem herrschenden Parteien- und Mediensystem anbiedert, wird eine Splitterpartei bleiben, weil sie bestenfalls von den Altparteien Stimmen abfischen kann. Der desillusionierte Nichtwähler wird das Spiel durchschauen und weiterhin zu Hause bleiben.

    AntwortenLöschen