Freitag, 17. Mai 2013

Reichspresseamt in Düsseldorf? Wie AfD-Hasser im Handelsblatt den Inhalt eines Interviews mit dem AfD-(Mit-)Vorsitzenden ("Sprecher") Prof. Dr. Bernd Lucke verfälschen



Zum Komplex des Lucke-Interviews existieren insgesamt -5- Artikel im Handelsblatt:

  1.  Das Interview selber, das am 16.05.2013 erschienen, jedoch kostenpflichtig ist. Titel: "Der Euro ist ein Spaltpilz für Europa". Auf der Linkseite des HB erscheint auch der Untertitel: "Die 'Alternative für Deutschland' verschärft den Ton gegenüber der Kanzlerin. Der Parteichef über Merkels Krisenpolitik und das Werben um NPD-Wähler. (2 Seiten)".
  2. Ein Vorabbericht über den Inhalt des Interviews vom 15.05.2013 u. d. T. "Wahlkampf: AfD-Chef will NPD-Wähler gewinnen". (Momentan 391 Leserkommentare; für das Handelsblatt ist das eine sehr hohe Zahl.)
  3. Die täglich erscheinende Kolumne "Was vom Tage bleibt", die jeweils eine Sammlung von kurzen Kommentaren zu den wesentlich erscheinenden Ereignissen des Tages enthält, wurde am 15.05.2013 von Stefan Menzel verfasst und unter dem Tages-Titel "Unangenehmes von Deutschlands neuer Partei" eingestellt. Gleich am Anfang erscheint unter dem Zwischentitel "Lucke marschiert nach rechts" ein Kurzkommentar (im Original genau wie hier zum HB-Vorabbericht über das Interview verlinkt). Es stellt sich (nicht wegen dieser Verlinkung, sondern wegen des Inhalts) die Frage, ob der Autor Stefan Menzel das Interview überhaupt gelesen hat, oder ob er seinen Kommentar lediglich auf den Vorabbericht stützt. (Momentan 152 Leserkommentare.)
  4. Am 16.05.2013 erschien die "Dokumentation: 'Unverschämte und dreiste Beleidigung' ". Einführende Erläuterung: "Das Handelsblatt-Interview mit AfD-Chef Bernd Lucke schlägt bei unseren Lesern hohe Wellen. Wir dokumentieren einen Teil der Reaktionen, die uns per Mail oder Facebook erreicht haben." (Derzeit 60 Leserkommentare.)
  5. Auf diese Dokumentation stützt der Handelsblatt-Online-Chefredakteur Oliver Stock seinen Kommentar vom 16.05.2013 "Leserbriefe zum Lucke-Interview: Liebe AfD-Freunde . . .". Untertitel "Das Handelsblatt hat zahlreiche Zuschriften zur Berichterstattung über die AfD erreicht. Online-Chefredakteur Oliver Stock antwortet mit einem Brief an die vielen Schreiber." (Derzeit 499 Leserkommentare; eine riesige Zahl für Handelsblatt-Artikel und sogar noch ca. 25% mehr als zu dem o. a. Vorabbericht!)

Was nun wirklich Sache ist, d. h. ob die Leser mit ihrer Kritik am Handelsblatt tatsächlich Unrecht hatten, möchte ich nachfolgend anhand einer detaillierten Analyse der Handelsblatt-Artikel überprüfen.

Das Interview habe mir ich nicht runtergeladen. Was das angebliche Werben um NPD-Wähler angeht, ist die folgende Passage (die jemand bei Facebook eingestellt hatte, und die ich also von dort, nicht aus dem Original-Interview, übernehme) entscheidend:

"[HB] Wie sieht es mit Beifall vom rechten Rand aus?
[Lucke:] Wir können niemanden hindern, uns zu wählen, aber grundsätzlich ist es gut, wenn jemand uns wählt und nicht die NPD. Ohne uns gäbe es übrigens auch die Gefahr, dass enttäuschte Wähler, die eigentlich gar nicht rechts sind, aus Protest extremistische Parteien wählen.
[HB] Eine klare Abgrenzung hört sich anders an.

[Lucke:] Wir lehnen jede Form von Extremismus ab. Ehemalige Mitglieder von NPD oder DVU lehnen wir generell als Mitglieder ab. Das gilt auch für Ex-Stasi-Mitarbeiter. Bei Ex-Republikanern prüfen wir jeden Einzelfall im persönlichen Gespräch." 
 
Insofern stellt sich für mich ganz generell die Frage, warum eine Partei (oder eine Person) überhaupt in der Pflicht stehen soll, sich von "Beifall vom rechten Rand" abzugrenzen? Was muss es die CDU, SPD, FDP - oder eben die AfD interessieren, ob der "rechte Rand", also z. B. die NPD, einzelne Forderungen dieser Parteien teilt, oder gutheißt?

Problematisch wäre das lediglich dann, wenn eine Partei Forderungen MIT DEM ZIEL aufstellen würde, Beifall vom rechten Rand zu erhalten; genau das tut die AfD jedoch nicht. Ansonsten kann ich KEINERLEI RECHTFERTIGUNGSZWANG erkennen. Es käme auch kein Journalist auf die Idee, ein solches Ansinnen an Vertreter der CDU, SPD, FDP zu stellen. Nur die AfD glaubt man auf diese Weise diskreditieren zu dürfen.
Es gibt nun einmal ständig (große) Wählerwanderungen zwischen den Parteien. Bisher habe ich noch nichts darüber gehört, dass irgend eine der "Blockparteien" (etablierten Parteien) sich darüber beschwert hätte, dass frühere NPD-Wähler jetzt diese Partei gewählt haben. Oder dass jemand solches von diesen Parteien verlangt hätte.

 
Wenn Oliver Stock schreibt:
"Ich meine, die Anti-Euro-Partei und ihr Chef sollten sich deutlich von diesen falschen Freunden distanzieren. Das habe ich als Leser des Gesprächs mit Herrn Lucke vermisst",
dann ist das eine bodenlose Unverforenheit. Vom Extremismus HAT sich Prof. Lucke eindeutig und absolut unmissverständlich distanziert, wie jeder in dem obigen Interviewauszug nachlesen kann. Und dass er verhindern will, dass "enttäuschte Wähler, die eigentlich gar nicht rechts sind, aus Protest extremistische Parteien wählen": Das wollen doch die anderen Parteien ebenso? Oder wollen die die Protestwähler aus der Gesellschaft ausschließen? Einen Wähler-TÜV gibt es nicht; der kann aber natürlich noch kommen, wenn die Gesinnungsschnüffler so weitermachen.

 

Beginnen wir unsere Analyse der Handelsblatt-Berichterstattung mit der Leserbrief-Dokumentation.
Bei dieser ist die einleitende Sachverhaltsdarstellung falsch
 "Das Handelsblatt-Interview mit AfD-Chef Bernd Lucke schlägt bei unseren Lesern hohe Wellen."
Es ist nämlich nicht das Interview, welches die Leserkommentare provoziert, sondern es ist der die Interview-Aussagen krass verfälschende Handelsblatt-Vorbericht (außerdem vermutlich der noch krassere Kurzkommentar von Stefan Menzel).


In dem Kommentar von Chefredakteur Oliver Stock zu den Leserbriefen wird dieser Punkt anfänglich noch korrekt dargestellt. Im Untertitel lesen wir (meine Hervorhebung): "Das Handelsblatt hat zahlreiche Zuschriften zur Berichterstattung über die AfD erreicht."
Aber diese Perspektive hält Stock nicht durch; schon zu Beginn seines Textes vermischt er nämlich das Interview mit dem Vorabbericht:
"Liebe AfD-Freunde, als Sympathisanten der „Alternative für Deutschland“ gehen Sie heute auf die Barrikaden. Der Grund ist ein Interview, das Parteichef Bernd Lucke im Handelsblatt gegeben hat und über das wir in den Online- und Printausgaben ausführlich berichtet haben."
Der Grund für die Empörung der Leser ist eben nicht das Interview, sondern der Vorabbericht (und ebenso der Kommentar von Menzel dazu).

Auch im weiteren Verlauf des Kommentars vermischen sich korrekte Darstellung und mehr oder weniger subtile Verzerrung:
"Lucke hatte in seinem Interview gesagt: „Grundsätzlich ist es gut, wenn jemand uns wählt und nicht die NPD.“ Er sieht im Einbinden rechter Protestwähler eine Funktion der AfD, denn diese seien nicht von vornherein extremistisch."Auf den ersten Blick erscheint der letzte Satz als korrekte Wiedergabe von Luckes Position. Er ist es aber insofern nicht, als Stock von "rechten Protestwählern" spricht. Es mag Ihnen jetzt etwas spitzfindig erscheinen, doch zeige ich hier nur auf, wie eine subtile Manipulationen arbeitet:
 "Rechte Protestwähler" sind sprachlogisch zunächst einmal Rechte, die auch Protestwähler sind. Bei Lucke geht es aber genau umgekehrt um Protestwähler, die (obwohl sie eigentlich KEINE Rechten sind) möglicher Weise eine rechtsextreme Partei wählen würden - wenn nicht die AfD ihnen (in der Währungspolitik) eine Alternative bietet würde, die ihnen von den etablierten Parteien vorenthalten wird.

Ansonsten gibt Stock freilich, mit den entsprechenden Zitaten, die Interview-Äußerungen von Lucke korrekt wieder.Ohne uns“, so der AfD-Chef, „gäbe es die Gefahr, dass enttäuschte Wähler, die eigentlich gar nicht rechts sind, aus Protest extremistische Parteien wählen“. Allerdings setzte sich Lucke von extremistischen Partei-Mitgliedern ab: „Ehemalige Mitglieder von NPD oder DVU lehnen wir generell als Mitglieder ab.“ Bei Ex-Republikanern würde jeder „Einzelfall“ in einem „persönlichen Gespräch“ geprüft."
Das solchermaßen bei den Lesern aufgebaute Vertrauen missbraucht Stock jedoch, um sie gleich im nächsten Absatz massiv zu täuschen:
"So haben wir es im Handelsblatt berichtet – und wir haben es auch kommentiert: „Lucke setzt darauf, dass er am rechtsextremen Rand nach Wählern fischen kann“, lautet die Bemerkung meines Kollegen Stefan Menzel dazu." [Verlinkung im Original]

Zunächst fällt auf, dass Stock hier (wie auch sonst) nicht zum Vorabbericht verlinkt. Das lässt den (freilich nicht verifizierbaren, da es sich um eine "innere" Tatsache handeln würde) Verdacht aufkommen, dass Stock durchaus erkannt hat, auf welche Weise die Überschrift AfD-Chef will NPD-Wähler gewinnen die tatsächlichen Aussagen von Lucke falsch wiedergibt. Und "kommentiert" hat das Handelsblatt eben nicht nur (wie man aufgrund dieser Stock-Passage glauben müsste), in dem explizit als Kommentar gekennzeichneten Artikel von Stefan Menzel. Sondern bereits in dem Vorabbericht (vgl. unten). Das ist, von der Wahrheitsdimension ganz abgesehen, schon deshalb unsauberer Journalismus, weil dort Bericht und Kommentierung vermengt werden, ohne dass dies den Lesern ausdrücklich gesagt wird.
Auch der Stock-Passus ist eine Vermischung von Dichtung und Wahrheit. Stellt man ausschließlich auf die Lucke-ZITATE ab, dann stehen die tatsächlich auch im Vorabbericht. Aber der Handelsblatt-Bericht darüber war in seiner Gesamtheit eben nicht nur "SO", sondern stellenweise ganz anders.

Das beginnt mit der o. a. wahrheitswidrigen Überschrift und setzt sich im Text fort mit dem Satz "Zugleich kündigte AfD-Chef Bernd Lucke im Interview mit dem Handelsblatt (Donnerstagsausgabe) an, auch auf Stimmen vom rechten Rand zu setzen."
Das Verb "ankündigen" ist Teil der subtilen Verfäschungsarbeit der verantwortlichen Redakteure. Denn es  impliziert, dass die AfD eine gezielte Strategie fährt, um rechte Stimmen zu gewinnen; und das trifft natürlich nicht zu.
Glatt falsch ist es auch, von "Stimmen vom rechten Rand" zu sprechen. Objektiv mag es zwar durchaus eintreten, dass die AfD bei Wahlen auch von dort Stimmen erhält. Aber der Vorabbericht spekuliert ja nicht darüber, was bei den Wahlen geschehen könnte, sondern will den Inhalt des HB-Interviews mit Prof. Lucke zusammenfassend referieren. Wer über "Stimmen vom rechten Rand" schreibt will damit sagen: Sehr rechte (oder gar rechtsextreme, das kann hier offen bleiben) Wähler, d. h. Leute, die diesem Milieu ideologisch verbunden sind. Lucke hatte aber gesagt (meine Hervorhebung) "enttäuschte Wähler, die eigentlich gar nicht rechts sind".
Auch diese Unterscheidung mag Ihnen vielleicht haarspalterisch erscheinen. Aber auch hier ist eben die bewusste Nicht-Unterscheidung von sehr verschiedenen Sachverhalten Teil der subtilen Desinformationsstrategie des Handelsblattes gegen Lucke bzw. gegen unsere AfD. (Dass es sich um eine Strategie handelt, und nicht um bloße Nachlässigkeit, ergibt sich aus der Summe derartiger "Nachlässigkeiten", aus dem Kommentar von Menzel und aus der sensationalistischen Überschrift des Vorabberichtes, deren faktenwidrige Behauptung ganz klar eine Diskreditierung der AfD bezweckt.)

Durchschnittlichen Lesern (das schließt in anderen Fällen übrigens auch mich ein, denn auch ich seziere natürlich Texte im Regelfall nicht derart ausgiebig wie die vorliegend besprochenen) wird diese Strategie nicht im Detail bewusst; dass man sie dennoch bemerkt, zeigen die wütenden Leserbriefreaktionen. Denn eben weil "Otto Normalverbraucher" lediglich den Gesamteindruck registriert ist es ihm auch unmöglich, die subtile Desinformationsstrategie des Handelsblattes in dieser Sache in den Einzelheiten analytisch zu durchdringen. Völlig zu Recht erinnern sie aber daran, dass der Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels mit den gleichen Methoden gearbeitet hat, oder heute arbeiten würde.


Ausgesprochen zweischneidig in dem Vorabbericht ist auch der Satz:
"Allerdings setzte sich Lucke von extremistischen Partei-Mitgliedern ab".
Diese im sachlichen Kern korrekte Formulierung wird dadurch zur Propaganda gegen die AfD umgemünzt, dass die Konjunktion "allerdings" einen Scheingegensatz herstellt zu dem, was gerade vorher über die Position Luckes berichtet worden war:

"Lucke sieht im Einbinden rechter Protestwähler eine Funktion der AfD, denn diese seien nicht von vornherein extremistisch. „Ohne uns“, so der AfD-Chef, „gäbe es die Gefahr, dass enttäuschte Wähler, die eigentlich gar nicht rechts sind, aus Protest extremistische Parteien wählen“."

Die Perfidie liegt darin, dass auch diese Sätze Luckes Aussagen absolut korrekt darstellen. Durch die einen Gegensatz implizierende Konjunktion "allerdings" sollen sie jedoch, in Verbindung mit der Überschrift usw., im Verständnis der Leser in die Kategorie eingeordnet werden "AfD will Wähler unter den Rechtextremisten gewinnen". Auch an dieser Stelle betreibt also das Handelsblatt, mit einem einzigen (unzutreffenden) Wort, eine außerordentlich subtile, aber gerade deswegen auch äußerst bösartige Verleumdungsstrategie gegen die AfD.

 
Dass sich in dem Vorabbericht dann gleich Stimmen von Vertretern von FDP und LINKEN anschließen, die ins gleiche Horn stoßen ('AfD ist nationalistisch'):
"Scharfe Kritik an Luckes Wähler-Strategie äußerten FDP-Generalsekretär Patrick Döring und der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger. Döring sagte in Berlin, die AfD zeige mit solchen Äußerungen ihr wahres Gesicht. „Nazis und Verfassungsfeinde sind Freunde der AfD.“ Lucke schrecke nicht davor zurück, um nationalistische Kräfte zu werben. Die von der AfD verfolgte Isolation Deutschlands wäre „politisch das Ende Europas in Frieden und Freiheit“, meinte Döring"
könnte man zwar mit der ausgewogenen Berichtspflicht der Journalisten rechtfertigen. Es stellt sich allerdings die Frage, wodurch Döring und Riexinger Kenntnis von diesen, im Zeitpunkt der Recherchen für den Vorabbericht ja wohl noch unveröffentlichten, Interview-Äußerungen Luckes erhalten haben. Ich muss vermuten, dass sie vom Handelsblatt darüber informiert wurden, und dass ihnen nicht nur der reine Interview-Text vorgelegt, sondern gleich unter der Perspektive "AfD buhlt um NPD-Wähler" präsentiert wurde. Auf diese Weise kann man dann natürlich die gewünschten Kommentare bekommen, die (scheinbar) die eigene Interpretation bestätigen.
Das ist, wie gesagt, lediglich eine Vermutung von mir, aber sicherlich nicht unplausibel.
 
 
Den Handelsblatt-Lügen über bzw. im Zusammenhang mit dem Lucke-Interview setzt freilich der Menzel-Kommentar die Krone auf. Auszug:
"Es gibt einzig die breite Ablehnung des Euro, das war dann auch schon das Parteiprogramm. In seinem Interview mit dem Handelsblatt hat sich Parteichef Bernd Lucke nun endgültig diskreditiert. Der AfD-Boss setzt darauf, dass er auch am rechtsextremen Rand bei der NPD nach Wählern fischen kann."
 
Dass es Menzel nicht um objektive Betrachtung geht, sondern um eine Verleumdung unserer Partei "Alternative für Deutschland", zeigt sich schon daran, dass er selbst vor einer plumpen Lüge nicht zurückschreckt.
 
Nicht als Kritik an Menzel gemeint, sondern nur als notwendige Klarstellung vorab möchte ich darauf hinweisen, dass ein "Parteiprogramm" der AfD eigentlich garnicht existiert. Zwar ist auf der AfD-Homepage unter eben dieser Bezeichnung ein Text eingetragen, aber dieser wurde nicht von einem Parteitag beschlossen.
Was auf dem Gründungsparteitag (einen weiteren gab es bisher ja nicht) am 14.04.2013 im Berliner Hotel Intercontinental beschlossen wurde, ist das WAHLprogramm für die Bundestagswahl am 22.09.2013.  (Ein Parteiprogramm muss erst noch ausgearbeitet werden. Das wird sicherlich nicht so schnell gehen; schließlich soll es ja auch innerparteilich breit diskutiert werden.) Dieses Wahlprogramm kann auf der gleichen Webseite als pdf-Datei heruntergeladen werden, und scheint (ich habe es jetzt nur flüchtig, nicht Wort für Wort, verglichen) sogar identisch zu sein mit den als "Parteiprogramm" eingestellten Formulierungen.
Wenn "wir" also ein Wahlprogramm (auch) als "Parteiprogramm" ins Netz stellen, ist es selbstverständlich keinem Leser, mithin auch nicht Hr. Menzel, anzulasten, wenn er diese unzutreffende Bezeichnung übernimmt.
 
Was jedoch dem Handelsblatt-Redakteur Stefan Menzel anzulasten ist: Dass er wahrheitswidrig behauptet, das Programm enthalte nichts anderes außer der Ablehnung des Euro. Vielmehr enthält es 8 Punkte:
  1. Währungspolitik
  2. Europapolitik
  3. Rechtsstaatlichkeit und Demokratie
  4. Staatsfinanzen und Steuern
  5. Alterssicherung und Familie
  6. Bildung
  7. Energiepolitik
  8. IntegrationspolitikIm Sinne der Debattenfairness könnte man Menzel zugestehen, dass die Punkte "Währungspolitik" und "Europapolitik" doch sehr eng verbunden sind, und sich daher zusammenfassen ließen. Aber dann bliebe immer noch ein Programm mit 6 Punkten, die rein garnichts mit der Eurozone zu tun haben.
Hätte Menzel, wie man es anderswo häufig liest, geschrieben, dass die AfD in den Augen der Öffentlichkeit als 1-Punkte-Partei WAHRGENOMMEN wird, könnte man darüber ja reden. Aber die Behauptung, dass die Partei TATSÄCHLICH nur einen Programmpunkt habe, ist aus meiner Sicht eine vorsätzlich lügenhafte Verleumdung der AfD.
 
Ebenso verlogen ist Menzels weitere Behauptung "Der AfD-Boss setzt darauf, dass er auch am rechtsextremen Rand bei der NPD nach Wählern fischen kann".
"Bei der NPD nach Wählern fischen" heißt, nach NPD-Wählern fischen, d. h. nach Leuten, die schon ihrer Mentalität nach eigentlich NPD-Anhänger sind, oder die zumindest in der Vergangenheit die NPD gewählt haben.
Lucke indes hatte dazu gesagt (s. o.):
"Ohne uns gäbe es übrigens auch die Gefahr, dass enttäuschte Wähler, die eigentlich gar nicht rechts sind, aus Protest extremistische Parteien wählen."
Es geht, mit anderen Worten ausgedrückt, also gerade nicht darum, Wähler auf der Rechten zu finden. Sondern zu verhindern, dass Wähler (sozusagen aus Verzweiflung) bei den Rechten landen.
Das angemessene Bild wäre also nicht das "Fischen" im rechten Pool, sondern das Aufrichtung eines Zaunes, der die Wähler davon abhält, überhaupt nach rechts abzudriften.


Dass die der AfD nahestehenden Leser (und das sind offenbar enorm viele!), aber mutmaßlich auch alle anderen, die sich einen Sinn für Fairness bewahrt haben, bei solchen Lügen und begrifflichen Manipulationen sauer sind, sollte eigentlich nicht verwundern.

Insofern ist es eine dreiste Unverschämtheit, wenn der Chefredakteur Oliver Stock sozusagen die Flucht nach vorn antritt und, anstatt die Berichterstattung und Kommentierung in seinem Blatt kritisch zu reflektieren, die Leserkommentatoren als Rechtsextremisten beschimpft:
"...ich habe einen Eindruck von dieser Diskussion gewonnen, den ich so zusammenfasse: Mit dem Fischen am rechten Rand war die AfD bereits erfolgreich. Anders kann ich mir Kommentare, die beispielsweise unsere Berichterstattung mit der Propaganda eines Joseph Goebbels vergleichen, nicht erklären."

 

Von den Leserkommentaren in der Dokumentation habe ich mir lediglich einige wenige am Anfang angeschaut. Im vorliegenden Aufsatz geht es schließlich nicht darum, ob einige (oder meinetwegen auch viele) Kommentatoren in ihrer Wut sprachlich
nehin nicht im Detail dazu äußern.

Aber wenn man wie Goebbels skrupellos gegen seine (tatsächlichen oder vermeintlichen) Gegner agitiert, sollte man sich nicht wundern, wenn diese Strategie von hellhörigen Lesern als Goebbels-Methode wahrgenommen wird.
Wie ich oben im Detail aufgezeigt habe, liegen diese Leser(innen) mit ihrer entsprechenden Einschätzung absolut richtig, auch wenn das bei den Meisten eher auf dem Bauchgefühl als einer präzisen Textanalyse beruht!
Wahrscheinlich sind die Menschen auch deshalb so zornig, weil sie spüren, dass sie hier belogen werden. In gleicher Weise, wie sie bei der Eurettungspolitik belogen werden, wo die allermeisten ebenfalls nicht die Details im Blick haben. Aber die Bürger merken, dass die Lügen der Regierung und der Blockparteien und die Lügen und Verleumdungen in dieser (kleinen) Handelsblatt-"Kampagne" denselben Zweck verfolgen: Die Wähler zu täuschen, um sie in eine vollständige Europäische Transferunion einpferchen zu können. Dies führt zu einem Gefühl der Ohnmacht, und es ist wohl nicht zuletzt dieses Gefühl eines ohnmächtigen Ausgeliefertseins - dort gegen die Herrschenden, hier gegen Meinungsmacher -, welches die Leser (mich eingeschlossen!) derart wütend macht.

 


Fragen Sie nicht, Oliver Stock, ob Ihre Leser(innen) Idioten sind: Fragen Sie lieber sich selber, ob nicht mehrere Mitarbeiter Ihres Blattes, Sie eingeschlossen, in dieser Sache falsch liegen, und ob Sie (Plural) hier nicht gegen fundamentale journalistische Grundsätze verstoßen haben!

 
 
 

ceterum censeo
Deutschland in Europa: Weder Zuchtmeister, noch Zahlmeister! 
Textstand vom 18.05.2013

6 Kommentare:

  1. Bemerkenswert mit welcher Akribie Sie die teils recht subtilen, teils aber doch schon offensichtlichen Manipulationen der Handelsblatt-Redaktion herausstellen.
    Tatsächlich muß man in dieser causa einen politische motivierten Kampagnenjournalismus des Handesblattes konstatieren.
    Danke für die umfassende Behandlung dieses Falls.

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    1. Danke für Ihr Interesse an an meiner Analyse dieser Vorgänge

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  2. Danke für diese akribische Ausarbeitung. - Habe auf jeden Fall wieder was dazu gelernt. - Wenn die Manipulation erkannt wird, verliert sie den gedachten Einfluß.

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  3. Ja leider haben Sie recht. Ich hätte nie gedacht, das das Handelsblatt ein solches Fehlverhalten an den Tag legt.

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    1. Ich auch nicht, Pit Rapit. Das HB war früher mein Leib- und Magen-Blatt!

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  4. Sehr gute Analyse, zeigt es doch die subtile, allerdings auch raffinierte Methode, Menschen zu beeinflussen, die noch keine vorgefasste Meinung haben und dieser "Fehl"-Deutung folgen, zumal vom Handelsblatt. Danke dür diese Erarbeitung

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