Freitag, 24. Februar 2017

Offener Brief von Schütze B. im letzten Glied an den AfD-Bundesvorstand: Kriegt die Kurve beim Höcke!


Kurzfassung:

Liebe Parteifreunde,

das von der Mehrheit des BuVo beschlossene Parteiausschlussverfahren halte ich (auch wenn ich Laie bin) juristisch für aussichtslos.

Gleichwohl kann es nicht sein, dass Björn Höcke immer wieder mit einer Entschuldigung durchkommt und wir parteiintern das Buch zuklappen. Die Wirkungen gewisser Äußerungen Höckes sind in weiten Kreisen der Öffentlichkeit nachhaltig verheerend; solche verbalen Eskapaden darf sich unsere AfD nicht länger bieten lassen.

Gleichfalls verheerend ist allerdings der Eindruck, den der Streit im Bundesvorstand um die (Nicht-)Verhängung von Sanktionen in der Öffentlichkeit hinterlässt. 

Mein Vorschlag wäre daher, dass
  1. der Antrag auf ein PAV gegen Höcke zurückgenommen, aber dafür
  2. eine offizielle Abmahnung nach § 7 Abs. 3 unserer Bundessatzung ausgesprochen wird. Mit dem Hinweis, dass ein neuerliches parteischädigendes Verhalten Höckes schärfere Sanktionen und ggf. einen Parteiausschluss zur Folge haben wird. 
Diese Volte macht allerdings nur dann Sinn, wenn auch die bisherigen Unterstützer Höckes im Bundesvorstand der Abmahnung zustimmen, also wenigstens nach außen hin der Eindruck der Einigkeit erweckt wird. 
In diesem Falle würde auch keine der beiden Seiten einen Gesichtsverlust erleiden, weil beide nachgegeben hätten.
Zeigt uns Mitgliedern, dass ihr echte POLITIKER seid. Auch wenn das häufig ein Schimpfwort ist: Taktische Flexibilität ist kein Charaktermangel, sondern eine in der Politik überlebensnotwendige Tugend.

Mit alternativen Grüßen
Burkhardt Brinkmann
Schwangau 

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Langversion mit ausführlicher Darlegung der Überlegungen, die mich bei meinem Vorschlag umtreiben:

Liebe Parteifreunde,

zu der umstrittenen Dresdner Rede des Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke (vom 17.01.2017) haben alle Mitglieder unserer AfD Ihre Rundmail vom 25.01.2017 erhalten. Ebenso die Links zum Redetext (dieser ist hier auch öffentlich) und zum 8-seitigen Redekommentar, der von einem ex-AfD-Mitglied verfasst und von Ihnen bearbeitet worden war. Diese Unterlagen enthalten zunächst nur die (kritische) Einschätzung des BuVo bzw. der BuVo-Mehrheit zur Rede; Konsequenzen wurden damals noch nicht angekündigt.

Mit Pressemeldung vom 13.02.2017 (hier auf Facebook) hat die Pressestelle dann mitgeteilt, welche Konsequenzen Sie aus dem Vorfall gezogen haben (meine Hervorhebungen):

Der Bundesvorstand der Alternative für Deutschland hat in seiner heutigen Telefonkonferenz mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit ein Parteiausschlussverfahren gegen den thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke beschlossen. Die Maßnahme erfolgte nach eingehender juristischer Prüfung und politischer Bewertung der Rede Björn Höckes vom 17. Januar 2017 in Dresden. In erster Instanz wird das zuständige Landesschiedsgericht des AfD-Landesverbandes Thüringen über den beantragten Parteiausschluss zu befinden haben.

Durch Medienberichte wurde bekannt, dass -4- Personen GEGEN das PAV gestimmt haben:
  • Prof. Jörg Meuthen; Alexander Gauland; André Poggenburg und Armin Paul Hampel.
Und die anderen -9- Vorstandsmitglieder DAFÜR, also: 
  • Dr. Frauke Petry; Beatrix von Storch; Albrecht Glaser; Klaus-G. Fohrmann; Bodo Suhren; Dirk Driesang; Julian Flak; Georg Pazderski und Dr. Alice Weidel. 
Über die vorstandsinternen Vorgänge in der Zeit zwischen der ersten Befassung mit Höckes Dresdner Rede und der Entscheidung für ein PAV informiert Justus Bender im FAZ-Bericht „Nach Höcke-Rede Warum die AfD den Verfassungsschutz fürchtet“ vom 20.02.2017 u. a. wie folgt (meine Hervorhebung):
"Als im Januar drei Bundesvorstandsmitglieder gegen einen Rauswurf Höckes stimmten, wurde ein Kompromiss gefunden. Petry beauftragte den Gelsenkirchener Anwalt Christian Bill Ansehensverlust oder in anderer Weise einen Schaden damit, die Erfolgsaussichten eines Parteiausschlussverfahrens zu prüfen, und wollte anhand dieses Gutachten weiterdiskutieren. Bills Gutachten liest sich aber in weiten Teilen eher wie ein Recherchedossier der Gelsenkirchener Antifa. Über mehrere Seiten vergleicht der Anwalt dort Höcke mit Adolf Hitler. Für AfD-Verhältnisse scheint das gewagt, denn Höcke ist nach allem, was man weiß, kein Nationalsozialist, sondern eher ein Rechtsradikaler mit Bezügen zu Antidemokraten der Weimarer Republik und neurechten Vordenkern der Gegenwart. Seine Dresdner Rede war gespickt mit Angriffen auf die Parteiendemokratie, Pluralismus und Liberalismus. Petrys Anwalt aber geht weiter. ….. Das Gutachten von Bill wurde an alle Vorstandsmitglieder verschickt, und die Bedenkenträger, unter ihnen der Parteivorsitzende Meuthen, wurden überstimmt. Beschlossen wurde auch, dass Bill den Bundesvorstand der Partei in dem Ausschlussverfahren als Anwalt vertreten wird. Doch ein Überziehen der Argumentation könnte Petry zum Verhängnis werden. AfD-Anhänger lieben die Nazikeule nicht. Am rechten Rand der Partei kursieren in sozialen Netzwerken seit der Entscheidung, Höcke auszuschließen, wilde Verschwörungstheorien. Etwa, dass Petry von den „Altparteien“ bezahlt worden sei, um die AfD zu spalten – was ein offensichtlich falsches Gerücht ist, aber etwas aussagt über die Reflexe der Basis.“

Auf Facebook, und vermutlich auch in anderen sozialen Medien, gab es verschiedene Initiativen der Mitglieder (und/oder Anhänger: das ist dort ja nicht kontrollierbar) pro Höcke. Bereits am 13.02.2017 erschien eine „Mahnung zur Einigkeit“; wohl von Parteimitgliedern aus Brandenburg initiiert. Unter die mittlerweile auf der einschlägigen Webseite ausgewiesenen fast 600 namentlich genannten Unterzeichner („Erstunterzeichner“ – nun ja …..) habe auch ich mich eingereiht.

Ich stehe Björn Höcke ausgesprochen kritisch gegenüber; was mich dennoch zur Unterzeichnung bewogen hat, war die folgende Passage:
Die Kritik an Björn Höcke ist durchaus berechtigt und nachvollziehbar. Wir halten jedoch den heute vom Bundesvorstand mehrheitlich gefassten Beschluss, ein Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke anzustrengen, für überzogen und fordern den Bundesvorstand dazu auf, seine Entscheidung zu überdenken, da wir uns als großer Teil der Basis nicht vertreten fühlen.
Dieser Passus hat aus meiner Sicht die Resolution angemessen austariert: Kritik und (so jedenfalls meine Deutung) Ordnungsmaßnahme ja; Ausschlussverfahren geht zu weit.

Dieser Zahl (real mögen es noch mehr sein; die Unterzeichner konnten einer Veröffentlichung ihres Namens widersprechen) standen lt. WELT-Bericht „Petrys kompliziertes Verhältnis zu den Ultrarechten“ vom 21.02.2017 lediglich 99 Personen gegenüber, die bis dahin auf Open Petition die am 14. Februar gestartete Forderung nach einem Ausschluss Björn Höckes unterstützt hatten. (Stand 22.02.2017 gegen 22.30 h: 105 Unterstützer.)
Wichtig bei der Bewertung dieses Zahlenverhältnisses ist allerdings, dass die knapp 600 Einigkeitsmahner nicht einfach als Höcke-Unterstützer gewertet werden dürfen; vielen ging (wie mir) vielleicht nur die Ordnungsmaßnahme eines Parteiausschlusses zu weit.
Dennoch darf man wohl den Schluss ziehen, dass die Parteibasis ein PAV mehrheitlich eher kritisch sieht. Dieser Schluss scheint umso mehr berechtigt, als bei der Brandenburger Mahnung die Mitgliedsnummern abgefragt wurden; es dürfte sich bei den Unterzeichnern also sämtlich um Parteimitglieder handeln. Bei der Petition dagegen erfolgt keine Kontrolle und sie spricht ausdrücklich Mitglieder UND Sympathisanten an.

Auch ein FAZ-Bericht vom 18.02.2017 lässt große Widerstände der Parteibasis gegen ein Ausschlussverfahren vermuten.

Diejenigen Parteifreunde, die häufig auf Facebook unterwegs sind, werden auch das sozusagen ‚nachträglich ausformulierte Minderheitenvotum‘ des BuVo (Unterzeichner Gauland, Hamer, Meuthen) mitbekommen haben, das ursprünglich ebenfalls als Mitgliedermail verschickt werden sollte, was jedoch durch eine vom BuVo mehrheitlich beschlossene Regeländerung verhindert wurde.
Der Text scheint mir eine Art Kurzfassung der von Alexander Gauland am 18.02.2017 auf dem Thüringer Landesparteitag der AfD gehaltenen Rede (Video; Druckversion - ??) zu sein.

Tenor: „Björn Höcke hat sich entschuldigt [vgl. z. B. diesen Bericht]; er hat Fehler eingeräumt, was für seinen Charakter spricht und leider eine sehr seltene politische Tugend ist. Jetzt ist es an uns, kameradschaftlich und klug zu handeln und den Ausschlussantrag zurückzuziehen."
Von weiteren Konsequenzen ist in diesem (kurzen) Text keine Rede.


Unsere „Alternative“ steht nunmehr beim Umgang mit Björn Höcke vor drei Alternativen:
  1. Parteiausschlussverfahren einleiten oder
  2. Buch zuklappen und nichts tun oder
  3. eine andere Ordnungsmaßnahme nach unserer Bundessatzung (§ 7) verhängen.
Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar (meine Hervorhebungen):
  • Zuständigkeit (Abs. 1): Ordnungsmaßnahmen können von dem Vorstand des für das Mitglied zuständigen Kreisverbands und der übergeordneten Verbände verhängt bzw. beantragt werden. (Der BuVo ist also für eine solche Maßnahme legitimiert.)
  • Beschlussquoren (Abs. 2): Für eine Abmahnung nach Absatz 3 reicht die einfache Mehrheit; „der Antrag auf weitergehende Ordnungsmaßnahmen nach Absatz 4 oder 5 bedarf eines mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder gefaßten Beschlusses. 
Arten von Ordnungsmaßnahmen:
  • Abmahnung (Abs. 3): „Verstößt ein Mitglied gegen die Satzung oder gegen Grundsätze oder die Ordnung der Partei, kann der zuständige Vorstand eine Abmahnung aussprechen. In der schriftlich zu begründenden Abmahnung ist das Mitglied darauf hinzuweisen, daß das beanstandete Verhalten im Wiederholungsfall oder ein vergleichbares Verhalten weitergehende Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen können. Es gilt eine Ausschlußfrist von zwei Monaten. Sie beginnt, sobald der Vorstand von den maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt hat.“
  • Sanktionen betr. Bekleidung von Parteiämtern (Abs. 4) „Verstößt ein Mitglied gegen die Satzung oder gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei und fügt es der Partei dadurch einen Ansehensverlust oder in anderer Weise einen Schaden zu, so kann der zuständige Vorstand bei dem für das Mitglied zuständigen Landesschiedsgericht eine oder beide der folgenden Maßnahmen beantragen:   (a) Enthebung aus einem Parteiamt,   (b) Aberkennung der Fähigkeit, ein bestimmtes Parteiamt oder jegliches Parteiamt zu bekleiden, bis zur Höchstdauer von zwei Jahren. Es gilt eine Ausschlußfrist von vier Monaten. …
  • Parteiausschluss (Abs.5): „Verstößt ein Mitglied vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei und fügt es der Partei dadurch einen schweren Schaden zu, kann der zuständige Vorstand bei dem für das Mitglied zuständigen Landesschiedsgericht den Parteiausschluß beantragen.“

Zu berücksichtigen ist noch der Abs. 6, und zwar zunächst der erste und der dritte Satz:
  • Die Ordnungsmaßnahme muß zu dem Verstoß und dem Schaden in angemessenem Verhältnis stehen. ….. Ordnungsmaßnahmen dürfen nicht zum Zweck einer Einschränkung der innerparteilichen Meinungsbildung und Demokratie ergriffen werden. 
Die Sanktionen sind also nach dem Grad des Verstoßes gestaffelt, und zwar in der Zuständigkeit wie im Inhalt:
  • Eine Abmahnung kann der zuständige Vorstand selber verhängen 
  • Einschränkungen bezüglich der Parteiämter oder einen Parteiausschluss kann er lediglich beantragen; verhängen muss diesen das zuständige Schiedsgericht.
Inhaltlich ergeben sich folgende Abstufungen:
  1. (Abs. 3) Für die Abmahnung reicht ein Verstoß gegen die Satzung, die Grundsätze oder die Ordnung der Partei aus; im Umkehrschluss aus Abs. 5, wo (bei Satzungsverstößen) Vorsatz gefordert wird lässt sich folgern, dass Fahrlässigkeit ausreicht. (Ob einfache oder grobe Fahrlässigkeit mag hier dahingestellt bleiben.)
  2. (Abs. 4) Für Sanktionen betr. Bekleidung von Parteiämtern muss zu dem bloßen Verstoß noch ein Ansehensverlust oder sonstiger Schaden eintreten (was natürlich auch bedeutet, dass dieser vom antragstellenden Gremium zu substantiieren bzw. nachzuweisen ist).
  3. (Abs. 5) Beim Parteiausschluss muss entweder ein
  • Satzungsverstoß vorsätzlich sein oder ein
  • Verstoß gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei erheblich.
  • Hier reicht auch ein Ansehensverlust nicht mehr aus; vielmehr muss der Partei ein Schaden zugefügt worden sein und weiterhin muss dieser schwer (gravierend) sein.
Bei dem Schiedsgerichtsverfahren ist Abs. 6 Satz 2 einschlägig:
„… Anstatt der beantragten kann das Schiedsgericht auch eine mildere Ordnungsmaßnahme verhängen.“

Das oben erwähnte Gutachten des Gelsenkirchener Rechtsanwalts Christian Bill (Profil auf seiner Homepage) kenne ich natürlich nicht. Als juristischer Laie weiß ich auch nicht, was (im juristisch-präzisen Sinne) unter „Grundsätze und Ordnung“ einer Partei zu verstehen ist.

Das Wikipedia-Stichwort geht rechtlich nicht sehr in die Tiefe (etwas informativer ist insoweit der Eintrag „Parteiordnungsverfahren“), präsentiert aber eine Liste der ausgeschlossenen Abgeordneten seit 1915.
Indes kommt mir der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu Hilfe, der im November 2008 Informationen zum Stichwort „Parteiausschluss“ zusammengestellt hat. Dort erfahre ich, dass die Regelung direkt aus § 10 Abs. 4 Parteiengesetz hergeleitet ist.
Leider lässt sich der Text aus diesem pdf-Dokument nicht kopieren [Frechheit: Denn schließlich haben wir Steuerzahler ihn doch bezahlt!]; so muss ich versuchen, das Wichtigste frei wiederzugeben.

Zunächst einmal muss (selbstverständlich) der Schaden kein materieller sein, sondern „das Erscheinungsbild der Partei in der Öffentlichkeit“ muss [massiv] beeinträchtigt sein.
  • Ein „Satzungsverstoß“ liegt auch dann vor, wenn gegen nicht als „Satzung“ bezeichnete andere interne Regelungen verstoßen wurde, „welche die Verfassung und die innere Ordnung einer Partei regeln“.
  • Der Bereich möglicher Verstöße gegen die „Ordnung“ der Partei geht über deren verschriftlichte Regelungen hinaus. Insoweit kommen z. B. mangelnde Rücksichtnahme auf das Parteiinteresse und Illoyalität gegenüber der Partei in Betracht."
  • "Unter ‚Grundsätzen‘ sind fundamentale programmatische Aussagen einer Partei zu verstehen“.
Einen Verstoß gegen die Satzung bzw. vergleichbare schriftliche Regelungen kann ich (im Rahmen meiner laienhaften und flüchtigen) Durchsicht nicht erkennen.

Mangelnde Rücksichtnahme auf das Parteiinteresse sehe ich in Höckes Dresdner Rede schon. Einen solchen Sachverhalt jedoch juristisch niet- und nagelfest zu identifizieren könnte aus meiner Sicht schwierig werden. 

Ein Verstoß gegen unser Programm liegt eindeutig vor. Insoweit ist die Ziff. 7.4 einschlägig (die übrigens von Höcke-Anhängern in Facebook-Debatten dreist als Bestätigung seiner Rede umgedeutet wurde):

Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst.“

Aber eine juristische Betrachtung wird es wahrscheinlich nicht als gravierend ansehen, wenn in einem einzelnen, und für unsere Programmatik auch keineswegs zentralen Punkt eine gewisse Differenz nachzuweisen ist. Schließlich gäbe es ja auch keine programmatische Weiterentwicklung, wenn man sich in der Debatte nicht (jedenfalls dem Grunde nach) auch außerhalb dieser Grenzen bewegen dürfte.


Immer wieder stoße ich auf die Notwendigkeit, bei der Betrachtung der Höcke-Rede zwei sehr verschiedene Perspektiven scharf voneinander zu trennen:
  • In der juristischen Dimension zählt ausschließlich das, was unabhängige Richter ihm mit hinreichender Sicherheit anlasten können.
  • In der politischen Dimension kann man bei der Interpretation sehr viel weiter gehen. 
In meinem Blogpost „Björn Höckes historische Schokoladenkur: Medizin gegen den Schuldkult - oder gegen seine Schuldgefühle?“ (vom 20.01.2017; um einige wesentliche Punkte erweitert am 23.02.2017) habe ich mich ursprünglich darum bemüht, mich auf das zu konzentrieren, was m. E. mit einiger Gewissheit und soliden Interpretationsmethoden aus der Rede selber herauszuholen ist. Die Ergänzungen vom 23.02.2017 bringen u. a. die Landolf Ladig-Sache dazu. Die ist insofern politisch relevant, als es jedem selbst überlassen bleibt, an die Identität von Höcke mit Ladig zu glauben oder eben nicht (und Höcke dem entsprechend für einen Rechtsextremisten oder gar Neonazi zu halten oder nicht). Allerdings vermute ich, dass sich diese Sache in ein juristisches Verfahren nicht wird einbringen lassen. Der Identitätsbeweis kann nicht geführt werden; ein Anspruch der AfD an Höcke, diesbezüglich eine eidesstattliche Versicherung abzugeben (quasi eine Umkehr der Beweislast), dürfte verwirkt sein, nachdem die Partei das damals von Prof. Lucke angeleierte Ausschlussverfahren nicht weiterverfolgt hat. 
Ein Ausschlussverfahren steht also nach meiner Einschätzung auf höchst unsicheren Beinen. Ich glaube nicht, dass der BuVo bei den Schiedsgerichten bzw. ggf. letztinstanzlich vor den ordentlichen Gerichten damit durchkommen wird.

Ein eventuelles Scheitern wäre aber kein neutraler Vorgang. Vielmehr würde Höcke sehr wahrscheinlich gestärkt daraus hervorgehen – und die Antragsteller wären blamiert.

Das heißt aber nicht, dass ich für Nichtstun wäre.
Björn Höcke hat den Ruf der Partei bereits mehrfach geschädigt; der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat das in einer Chronologie (zuletzt aktualisiert am 13. Februar 2017) detailliert aufgelistet. Nach seiner Schnellrodaer Rede, wo er eine unterschiedliche Genausstattung der (Schwarz-)Afrikaner für deren gegenüber den Europäern höhere Fortpflanzungsraten verantwortlich gemacht hatte (hier meine seinerzeitige – negative - Einschätzung, ob man das bereits als Rassismus bewerten dürfe).
Der Bundesvorstand hatte ihn damals in einer öffentlichen Erklärung gerügt; aber diese Rüge war eben keine satzungsmäßige Ordnungsmaßnahme (also keine Abmahnung im Rechtssinne).

Geradezu prophetisch erscheint im Rückblick aus dem seinerzeitigen FAZ-Artikel „Ausbreiter und Platzhalter“ vom 22.12.2015 die Bemerkung: „Macht er so weiter wie bisher, kracht es. Hindert man ihn, vielleicht noch mehr“.
Auch andere Passagen sind im vorliegenden Zusammenhang von Interesse:
Petrys Plan [formale Ordnungsmaßnahmen einzuleiten] scheiterte an der Mehrheit der Vorstandsmitglieder. Die Parteiführung rang sich nur zu einer dürren Pressemitteilung durch. Höcke solle prüfen, „inwieweit seine Positionen sich noch in Übereinstimmung mit denen der AfD befinden“.   Und:
„… [Höcke] ist ….. ein enorm populärer Mann in der AfD ….. . Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist, dass Höcke gut reden kann. Ein weiterer, dass er sich gut rausreden kann. Und ein dritter, dass er, wenn es drauf ankommt, das eine nicht ohne das andere tut. Das ist der Trick, den Höcke seit Jahren erfolgreich anwendet. Und in letzter Zeit immer öfter. In der vergangenen Woche erreichte die Show ihren vorläufigen Höhepunkt: Höcke verwandelte den Skandal um seine Rede in einen Flügelstreit der AfD, an dessen Ende er als Sieger glänzen könnte. Wie er das geschafft hat, ist typisch für ihn.“

Vor dem Hintergrund dessen, was unsere Partei von Höcke bereits in der Vergangenheit erlitten hat, ist die Rede von Alexander Gauland und die darauf aufbauende ‚Persilscheinerklärung‘ von Meuthen, Gauland und Hampel eine bodenlose Unverschämtheit.

Bislang hatte ich Alexander Gauland als unseren alten Leitfuchs immer außerordentlich wertgeschätzt. So habe ich ihm z. B. seine Intervention auf unserem Stuttgarter Programmparteitag (an dem ich teilgenommen habe) zum Verbleib Deutschlands in der NATO hoch angerechnet (und seine Boateng-Äußerung als Folge eines kurzzeitigen Durchhängers gewertet).
Wenn ich aber jetzt seine pro-Höcke-Rede auf dem Landesparteitag der Thüringer AfD höre (Video), oder gar den daraus destillierten Aufruf der 3 BuVo-Mitglieder (Facebook), dann habe ich ernsthafte Zweifel an (insbesondere) Gaulands guten Absichten für unsere Partei.

Vor einem Jahr klang er noch ganz anders. In einer Art von essayistisch verarbeitetem Interview schrieb der WELT-Redakteur Jacques Schuster am 12.02.2016 unter der Überschrift „Alexander Gauland und der ‚gärige Haufen‘ AfD“ (meine Hervorhebung):

Vielleicht ist dies eh die deutsche Crux mit der Konservativen. Sie wird die undemokratische Rechte, die wüsten Plebejer und das völkische Geraune nicht los. Zum einen ziehen sie die etablierten Parteien und ein Teil der Medien in diese schmuddeligen Ecke, zum anderen aber saugt sie selbst die Kräfte an, die von einem Umbruch träumen, die Demokratie für entbehrlich halten und glauben, ohne einen Bezug auf die deutsche Volksgemeinschaft nicht atmen zu können. Man darf Alexander Gauland glauben, dass er diese Strömungen auf lange Sicht nicht in der Partei haben will. Doch gegenwärtig schenkt sie ihm Wähler, welche die AfD brauchen kann. „Mein Ziel ist es, dass wir in der Parteienlandschaft der Bundesrepublik ankommen und dort fest verankert sind. Ziel muss sein, dass wir das erreichen und nicht durch eigene Dummheiten verspielen.
Hat er das mittlerweile vergessen, ist ihm die innerparteiliche ‚Polithygiene‘ inzwischen gleichgültig geworden? 
Oder will er unsere AfD skrupellos dem Machtkampf zwischen seiner „Fraktion“ im BuVo und Frauke Petry opfern?
Mein Vertrauen jedenfalls hat er verspielt.

Wahrscheinlich würde er nicht mitspielen bei jener Lösung, wie sie mir vorschwebt:
  • Ausschlussantrag zurücknehmen. 
  • ABER: Offizielle Abmahnung nach § 7 Abs. 3 unserer Satzung erteilen. Natürlich mit dem Hinweis, dass weitere massive Rufschädigungen unserer Partei durch Höcke entsprechend massivere Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen werden. 
Da wir ohnehin oben immer wieder dem Adolf H. begegnet sind, kann ich ihn auch gleich als negatives Beispiel verwenden: Der „Führer“ hat große deutsche Truppenverbände sinnlos verheizt, nur weil er nicht die Kurve kriegen und keine Rückzüge zwecks Frontbegradigungen akzeptieren konnte. 
Diese taktische Wendigkeit, das eigentlich „Politische“ ist bei uns Deutschen leider generell etwas unterentwickelt. Trotzdem wäre es gut, wenn sich der BuVo einen Ruck geben und ein taktisch kluges Wendemanöver in der oben skizzierten Art vollziehen könnte. 

Sinn macht das allerdings nur dann, wenn damit (wenigstens nach außen hin) zugleich die Einigkeit im BuVo wieder hergestellt werden kann. Das heißt wenn auch die bisher „oppositionellen“ Vorstandsmitglieder geschlossen (meinetwegen bis auf Gauland) eine offizielle Abmahnung mittragen würden. 
Das wäre ein starkes Signal nach außen – und zugleich nach innen. 
Ich könnte mir sogar vorstellen (alles reine Spekulation; ich habe nirgends „vorgefühlt“ oder mich „rückversichert“), dass auch Björn Höcke nicht dagegen vorgehen würde. Denn auch er kann eigentlich kein Interesse daran haben, dass diese Angelegenheit monatelang vor den Schiedsgerichten in der Schwebe bleibt, und bei jeder Entscheidung der Staub seiner Dresdner Rede in der Öffentlichkeit immer erneut aufgewirbelt würde.
Eine Abmahnung wäre aber natürlich auch die Vorstufe zu einem endgültigen Rauswurf, wenn sich eine vergleichbare Rufschädigung der Partei durch Höcke wiederholt. 
Ein Parteiausschluss dürfte dann leichter durchzusetzen sein, weil ja bereits eine niederrangige Ordnungsmaßnahme vorausgegangen war.
Sofort den großen Hammer rausholen: Das ist bei den Gerichten (z. B. den Arbeitsgerichten) eher verpönt. Und die Öffentlichkeit, einschließlich der Parteimitglieder, haben dafür wenig Verständnis. 
Wenn einer sich allerdings als unbelehrbar gegenüber einem „Warnschuss“ erweist: Dann wird man für IHN wenig Verständnis haben. Und einem „Abschuss“ weniger Widerstand entgegensetzen. 
Also, liebe BuVo-Mitglieder: Wie wär’s? Könnt ihr euch auf eine Abmahnung einigen? Dann hätten beide Seiten nachgegeben, also auch keine Seite das Gesicht verloren.


ceterum censeo

Blockis* bluten brave Bürger!
Deshalb Deutschland in Europa:
Weder Zuchtmeister, noch Zahlmeister!
* Die eurofetischistischen "Blockparteien" CDUCSUFDPGRÜNESPD
Textstand vom 24.02.2017

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